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Channel: Allgemein – Tieger-Blog Gerhild Tieger Autorenhaus

Péter Nádas über den Alltag eines Schriftstellers

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Wie Autoren-Kollegen ihren Tag einteilen, wie sie arbeiten, wird Sie sicher ebenso interessieren wie mich. Deshalb gebe ich gern weiter, was der ungarische Schriftsteller Peter Nadas in einem NZZ-Interview mit Manfred Papst über seinen Schreiballtag verraten hat:

„Ich habe einen strikt festgelegten Tageslauf. Ich stehe früh auf, ohne mich zu rasieren oder zu waschen, und setze mich mit einem grossen schwarzen Kaffee in mein Arbeitszimmer. Dort verbringe ich im Minimum die Stunden von acht bis zwölf und im Maximum diejenigen von acht bis drei. Dann esse ich etwas. Der Nachmittag gehört der Gartenarbeit, der Abend der Korrespondenz und der Lektüre.
(…) Ich schreibe die ersten Fassungen meiner Texte immer von Hand. Dann überarbeite ich sie und erfasse sie am Computer. Es gibt immer mehrere, manchmal Dutzend Arbeitsdurchgänge, bis für meine Begriffe jedes Wort am richtigen Ort steht. Eine schwierige Frage ist die, wann man loslassen muss.
Man kann einen Text auch zu Tode überarbeiten. Er wird dann nicht mehr besser, sondern schlechter. Wenn es gut läuft, erreicht man rasch eine Flughöhe, auf der man bleiben kann. Aber oft verrennt man sich auch, oder man hat die Sache überhaupt falsch angefangen.

Und was tun Sie dann?
„Diese Versuche werfe ich ungerührt in den Papierkorb. Ich schreibe die Texte aber nicht nur, sondern lese sie – wie mein österreichischer Kollege Christoph Ransmayr – mir selber laut vor. Die Sprachmusik ist mir wichtig. Beim lauten Lesen bemerkt man Fehler, die einem sonst entgehen. Von der Sprache kann man geführt, aber auch irregeführt werden.

Wann geben Sie Ihre Texte aus der Hand?
„Meine erste Leserin ist seit Jahrzehnten meine Frau. Sie war früher Journalistin und versteht etwas von der Sache. Sie ist sehr streng, von protestantischem Geist. Ich verteidige meine Formulierungen und Konstruktionen eifrig. Schliesslich habe ich mir etwas dabei gedacht. Manchmal gerate ich sogar ins Brüllen. Sie lacht mich aus. Ohne diese lebhafte Auseinandersetzung kann ich mir den Prozess kaum vorstellen.“
aus: Manfred Papst „Das Problem unserer Zeit ist die Gier“ – Neue Zürcher Zeitung am Sonntag 28.1.2018


Sebastian Fitzek über die Entstehung eines Thrillers

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Im Magazin der Buchhandlungen „Lesen“ 4/17 hat Marius Leutenegger den Thriller-Autor Sebastian Fitzek interviewt und ihn gefragt:
Es gibt unzählige Ereignisse, die Sie zu Romanen inspirieren könnten. Welche Nachrichten wecken Ihr Interesse?

„Solche, die eine persönliche Betroffenheit auslösen. (…) Ich habe einen einfachen Mechanismus: Ich schreibe eine Idee nicht auf, und wenn sie wieder und wieder anklopft, will sie offenbar verwirklicht werden.“

Sie sprechen sehr freimütig über Ideen – haben Sie keine Angst, sie könnte Ihnen geklaut werden?

Nun, Ideen lassen sich bei uns ja nicht schützen, insofern ist sie noch nichts wert. Ich rede gern über meine Ideen, das gehört für mich zum Entstehungsprozess. Rückmeldungen bringen mich weiter. (…)

(…) Letzlich ist alles schon einmal geschrieben worden. Aber die Figuren sind nie auserzählt. Menschen haben heute andere Probleme als vor 500 Jahren, und neue Entwicklungen bieten neue Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen. Sind die Figuren relevant und die Umstände interessant, wirkt ein Setting nie ausgelutscht.

Entwerfen Sie Ihre Geschichte am Reissbrett?

Habe ich mich für eine Geschichte entschieden, entwerfe ich ein Exposé von 10 bis 20 Seiten – eine grobe Zusammenfassung der Handlung, derCharaktere, ihrer Motive und Konflikte. Dann beginne ich mit dem Scheibprozess, der in der Regel etwa drei Monate dauert und mich voll in Beschlag nimmt – ich bin dann sozial sehr inkompatibel.
Habe ich etwa 80 Seiten verfasst, löse ich mich aber meist komplett vom Exposé. Das hat damitzu tun, dass die Figuren ein Eigenleben entwickeln und ich zu ihrem Beobachter werde.

Theodore Roosevelt: Held sein – und schreiben

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„Es ist nicht der Kritiker, der zählt, nicht derjenige, der aufzeigt, wie der Starke gestolpert ist oder wo der, der Taten gesetzt hat, sie hätte besser machen können. Die Anerkennung gehört dem, der wirklich in der Arena ist; dessen Gesicht verschmiert von Staub, Schweiß und Blut ist; der sich tapfer bemüht; der irrt und wieder und wieder scheitert; der die große Begeisterung kennt, die große Hingabe und sich an einer würdigen Sache verausgabt, der, im besten Fall am Ende den Triumph der großen Leistung erfährt; und der im schlechtesten Fall des Scheiterns, zumindest dabei scheitert, dass er etwas Großes gewagt hat.“

Brigitte Kronauer: Mitfühlend, aber auch hartherzig

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ist die Schriftstellerin, wie sie sagt, mit einer von ihr geschaffenen Figur, wenn ihr eine Idee kommt, was sie „dieser Person noch gut aufpacken“ kann als Eigenheit oder Eigenart. Patrick Bahners und Sandra Kegel haben mit der Schriftstellerin über ihre Arbeit gesprochen und sie nach einem Ritual beim Schreiben gefragt:

„Wissen Sie, worauf ich mich freue? Morgens nach dem Frühstück gucke ich das vom Vortag Ausgedruckte an und korrigiere. Das habe ich geschrieben – und ich kann mich satt zurücklehnen und es besser machen. Darauf freue ich mich. Davon abgesehen, ist das Schreiben kein Ritual mit festen Zeiten. Ich muss immer gucken: Wo finde ich eine zeitliche Lücke? … Es ist der Wunsch, etwas in eine Ordnung zu bringen, die ich bestimme. Eine Konstruktion oder Komposition. Dass man etwa eine Person konstruiert, indem man ihr Grenzen setzt und Möglichkeiten gibt. Das hat auch mit Macht zu tun, nicht nur Personen, sondern auch Landschaften gegenüber. Wo setzt man Landschaft ein?“

Sie bemächtigen sich der Landschaft ähnlich wie der Person?
So weit würde ich nicht gehen, aber ich kann bestimmen, wie ich sie einsetze, ich kann bestimmen, wann jemand in den Wald geht. Wann wird sie dominierend, wann erregt sie auch eine Resonanz in der Person, die sie wahrnimmt?“

aus: Patrick Bahners und Sandra Kegel: „Dann gehen die Lichterchen der Wahrnehmung an“ Frankfurter Allgemeine Zeitung 17.3.2018

Asne Seierstad: Leser sollte reagieren

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Die schwedische Schriftstellerin wurde in Leipzig für ihr Buch „Einer von uns. Geschichte eines Massenmords“ über den Massenmörder Anders Behring Breivik mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet.

„Wenn der Schriftsteller alles erklärt, braucht der Leser nicht zu denken. Die Reaktion sollte beim Leser liegen, nicht im Schreibprozess. Um das zu erreichen, brauchen wir die kleinsten Worte. Nur dann, wenn die Worte keine Schatten auf uns werfen, können wir die Dimensionen begreifen.“
Tilman Spreckelsen: „Die kleinsten Worte hallen nach“ – Frankfurter Allgemeine Zeitung 19.3.2018

O-Ton für Authenzität: Die Sprache der Mafia

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Zu den Geschäften der italienischen Mafia gehört u.a. neben Drogenhandel, Geldwäsche auch Erpressung von Restaurantbesitzern und Pizzabäckern, die unter Druck Wein und andere Lebensmittel aus den Mafia-eigenen Produktion kaufen. Aus einem Gespräch zwischen Vater und Sohn bei einem Besuch im Gefängnis:
„Der Wein, papà, der Wein in Deutschland. Wir haben gutes Geld verdient.“
Und bezahlen sie dich gleich?“
„Bar, jede Stückelung … Das war so ein Haufen 500-Euro-Scheine. Ich hab sie für den Transport im Lenkrad versteckt.“
Vincenzo B: „Waschen … waschen … waschen. Deutschland ist nur noch eine einzige Wäscherei.“

Auch als Streitschlichter tritt die Mafia gelegentlich auf wie dieses abgehörte Telefongespräch beweist:
„Ich hab ihm gesagt: Ich sag’s dir einmal, und dann sag ich es nicht mehr! Ich hab ihm gesagt, Melsungen muss wie eine Kirche sein. Ich hab ihm das gesagt, weil dort viele Freunde von uns kommen und gehen … und denen soll er mit seinen Scheißaktionen nicht auf den Sack gehen.“
aus: David Klaubert „Paten der Provinz“ – Frankfurter Allgemeine Zeitung 19.3.2018

David Albahari: Schriftsteller werden

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Andreas Breitenstein hat den serbischen Schriftsteller gefragt: Wie sind Sie Schriftsteller geworden?

„Ich habe mit Gedichten begonnen, aber wie Faulkner schon sagte: Wenn man Lyrik nicht kann, wendet man sich der Short Story zu, und wenn auch das nicht klappt, bleibt immer noch der Roman. Mir gefielen neben den Postmodernisten auch konventionelle Erzähler wie Isaac Bashevis Singer, John Updike und William Saroyan, und es reizte mich, in der Prosa Fiktion und Metafiktion zu verbinden. Wobei ich denke, dass das Geschichtenerzählen entscheidender ist als das selbstbezügliche Spiel mit Worten. Die Erzählung geht immer vor, auch bei Schriftstellern wie Thomas Bernhard, die das Erzählen ins Absurde treiben.“
Aus: Andreas Breitenstein „Manchmal reicht ein einziger Satz“ – Neue Zürcher Zeitung 16.3.2018

Brigitte Kronauer über das Älterwerden als Schriftstellerin

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Sandra Kegel und Patrick Bahners im Gespräch mit der Schriftstellerin:

Was bedeutet Älterwerden für eine Schriftstellerin?

„Es ist interessant, weil sich die Wahrnehmungen verändern. Aber sie verändern sich nicht ins Melancholische. Damit konfrontiert zu werden, das man sterblich ist – ich kann nicht sagen, dass mich das besonders schockiert. … Man darf sich bloß nicht in einen blöden Sog bringen lassen: Ach, alles geht jetzt den Bach herunter und entschwindet. Das sollte einem möglichst nicht passieren, dann wird alles schwarz. Wir unterhalten uns oft hier im Haus darüber. Viele sagen, das Erregungspotential wird im Alter geringer. Aber das stimmt nicht. Oder das Wahrnehmen von Natur und von Menschen nehme ab. Im Gegenteil: Es verschärft sich. Was mich stören würde, wäre, wenn die Kraft zu schreiben nachließe. Aber das ist nicht der Fall.“
Sandra Kegel und Patrick Bahners „Dann gehen die Lichterchen der Wahrnehmung an“ – Frankfurter Allgemeine Zeitung 17.3.2018


Aaron Sorkin: Drehbuchdialoge wie japanische Messer

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„Mister Sorkin, wie machen Sie das? Wie komponieren Sie Ihre Dialoge, scharf wie japanische Messer und gleichzeitig so rhythmisch, dass sie sich sprechen lassen, als fiele den Schauspielern gerade erst ein, was sie sagen wollen, die so außerordentlich elaboriert ausgedacht sind, aber so klingen, als kämen sie direkt aus der Umgangssprache, Sätze, die in den Raum purzeln wie Lichtbälle von Leuchtraketen, smarte Sätze, die smartere Antworten provozieren?“ fragte Verena Lueken und der mehrfache Oskarpreisträger verrät sein Erfolgskonzept:
„Jemand muss etwas unbedingt wollen. Wenn er etwas unbedingt braucht, um so besser. Der Held will das Mädchen. Oder das Geld. Oder er will nach Paris – es spielt keine Rolle. Und dann muss sich ihm ein Hindernis in den Weg stellen, das er wegräumen muss. So funktioniert jede Szene, und so funktioniert jeder Plot. Das Hindernis muss allerdings glaubwürdig sein. Warum ruft er das Mädchen nicht einfach an? Warum steigt er nicht einfach in ein Flugzeug? Wenn das Publikum anfängt, so zu denken, ist die Geschichte tot.“
aus: Verena Lueken: „Menschen, die in Zimmern reden“, Frankfurter Allgemeine Zeitung 25.2.2011

Widmungen gehören zum Schriftsteller

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Eine besonders feinfühlige Widmung hat Carl Safina seinem Buch „Die Intelligenz der Tiere – Wie Tiere fühlen und denken“ vorangestellt:
„Dieses Buch ist all jenen Menschen … gewidmet, die genau hinsehen und hinhören. Die uns erzählen, was sie aus den Stimmen und dem Schweigen derer heraushören, die mit uns auf dieser Erde leben.“

Widmungen gehören zum Schriftstellerleben, oft sind sie eine Art Dank an Familienangehörige „Für meine Eltern“, Ehefrau, Geliebte und enge Freunde, Ideengeber. Der Leser hat den Eindruck, dass sich die so Geehrten den Dank hart verdient haben – u.a. durch Geduld oder als als Muse wie diese: „… Nina W., der ich nächst Gott alles verdanke“ (Eckhard Henscheid)?
Sogar mein Lieblingsautor Christoph Ransmayr hat seinen Roman „Morbus Kithara“ zwei Menschen gewidmet „Für Fred Rotblatt und in Erinnerung an meinen Vater Karl Richard Ransmayr“.

Steven Soderberg: Immer geht es um die Figuren

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Nach dem interaktiven Krimi „Mosaic“, den man sich als App aufs Handy laden konnte, hat Steven Soderberg auf der Berlinale 2018 die Zuschauer mit der Premiere seines Handyfilms „Unsane“ überrascht. Nina Rehfeld fragte ihn im Gespräch: „Gibt es tatsächlich noch neue Arten, Geschichten zu erzählen?“

„Im Hinblick auf die Form? Absolut. Aber die grundsätzlichen Werkzeuge zum Engagement des Publikums haben sich nicht verändert. Es geht immer noch um die Figuren, es geht immer noch um die Kunst der Erzählung. Wenn man es nicht schafft, Figuren zu entwerfen, von deren Geschichten sich Menschen angezogen fühlen, wenn man es nicht schafft, das Publikum intellektuell oder emotional bei der Stange zu halten, dann geht nichts, egal in welcher Form man erzählt. Aber es macht Spaß, die Grenzen auszuloten, vielleicht der Kiste eine andere Gestalt zu geben, in der man das Ganze verpackt.“
Nina Rehfeld: „Gegen diejenigen, die ihre Macht missbrauchen“, Frankfurter Allgemeine Zeitung 8.2.1018

David Albahari: Die Kunst, Kurzprosa zu schreiben

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„Schmale Bücher können immer noch schmaler werden. Ich hielt es stets für eine Qualität, wenn ein Autor fähig ist, ganz kurze Prosastücke zu schreiben und darin eine Tiefe zu erzeugen, für die andere ganze Romane brauchen. Wir lieben alle dicke, traditionell erzählte Romane, doch bergen kurze Erzählungen im Verhältnis dazu eine explosive Kraft der Erkenntnis. Manchmal reicht für eine Geschichte auch ein einzelner Satz.“
aus: Andreas Breitenstein „Manchmal reicht ein einziger Satz“, Neue Zürcher Zeitung 16.3.2018

Thrillermaterial: Auch Erpresser kennen Schreibhemmung

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„Wenn Sie nicht bis … zahlen, passiert …“ eine typische Erpresserbotschaft. Aber dass auch Erpresser unter einer Schreibhemmung leiden können ist schwer vorstellbar, aber durchaus möglich.
Wer Material für seinen Thriller braucht, für den hat der Brandstätter Verlag im vergangenen Jahr ein interessantes Buch herausgebracht:
„Böse Briefe. Die Geschichte des Drohens und Erpressens“ von Ernst Strouhal und Christoph Winder. Hintergrundinformation zu den verschiedenen Beispielen gibt es jede Menge, dazu Bildmaterial und Fall- und Persönlichkeitsbeschreibung des Täters und wie man ihn überführt hat.

John Banville: Künstler sind keine Götter

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„Ich habe keine grössere Vorstellungskraft als Sie oder andere Menschen. Ich habe lediglich mein Leben damit verbracht, sie auf eine bestimmte Weise zu verwenden. Künstler sind keine besonderen Menschen, wir sind keine Priester, keine Schamanen, keine Götter. Wir sitzen lediglich in unseren Zimmern und verbringen die Zeit damit, uns vorzustellen, was es heißt, lebendig zu sein. Was es heißt, zu leiden oder glücklich zu sein, jemanden zu lieben. Das ist der einzige Unterschied, und dabei handelt es sich in Wahrheit nicht einmal um einen Unterschied.“
Thomass David: „Heute glaubt jeder, eine Meinung zu haben, die die Welt unbedingt hören müsse“, Neue Zürcher Zeitung 13.2.2018

David Albahari: Eine Geschichte findet mich

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Viele Jahre hat der serbische Schriftsteller David Albahari in Kanada gelebt. Jetzt ist er in seine Heimat zurückgekehrt und lebt in der Nähe von Belgrad. Andreas Breitenstein hat ihn gefragt wie es ist, wenn eine Geschichte den Autor sucht und nicht der Autor die Geschichte:

„Wenn ich zu schreiben anfange, habe ich kaum je die fertige Story im Kopf. Die ersten Sätze setzen ein Feuer in Gang. Es entsteht ein Prozess des Entdeckens, der während der ganzen Niederschrift anhält. Eigentlich erzähle ich die Geschichte ja mir selbst, und wenn es Leute gibt, die sich dafür begeistern, um so besser.“
(…) „Schreiben ist für mich der Sprung von einer niederen zu einer höheren Ebene der Erkenntnis, die Dinge geraten in Bewegung durch kleine strukturelle Verschiebungen.“
Andreas Breitenstein: „Manchmal reicht ein einziger Satz“, Neue Zürcher Zeitung 16.3.2018


John Banville: Überleben, indem wir nicht fühlen

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Wie können Sie das Leid, das Sie sehen, ertragen? fragt Thomas David den irischen Schriftsteller John Banville, der auch unter dem Pseudonym Benjamin Black veröffentlicht (Mrs Osmond, Die blaue Gitarre, Unendlichkeiten) im Gespräch.

„Ich empfinde es nicht selten als vollkommen unerträglich. Aber ich glaube, wir Menschen können nur überleben, indem wir nicht fühlen. Wenn Sie und ich in diesem Moment die ganze Agonie spüren könnten, die derzeit in der Welt herrscht, würde uns das auf der Stelle umbringen. Ich werde also nach unserem Gespräch nach Hause fahren, mit meiner Familie zu Abend essen, ein Glas Wein trinken und so tun, als würde ich noch zwei Seiten lesen, bevor ich mir dann wie jedermann irgendwelchen Müll im Fernsehen anschaue.“
Thomas David: „Heute glaubt jeder, eine Meinung zu haben, die die ganze Welt unbedingt hören müsse“, Neue Zürcher Zeitung 13.2.2018

die cops ham mein Handy – die wundersame Geschichte eines Selbstverlegers

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Lukas Adolphi war bis vor kurzem noch unbekannt im Bücherbetrieb, aber seit dem 6. dieses Monats kennen ihn sogar die Leser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Auf einer halben Seite ist sein Porträt in Farbe zu sehen, auf der anderen Hälfte die ungewöhnliche Story seiner Transformation vom Grafikdesigner zum Kleinstverleger. Denn selbst geschrieben hat er das reclamgelbe Büchlein „die cops ham mein handy“ nicht. Darin veröffentlicht sind die SMS-Nachrichten der beiden jugendlichen Täter, die ihn bedroht, sein Geld und sein Handy abgenommen hatten. Das gestohlene Handy hat Lukas Adolphi von der Polizei zurückbekommen. Was er als Nachrichten darauf gespeichert fand, hat er nicht gelöscht, sondern zu einem Büchlein gestaltet. Das ist origineller authentischer Jugendslang direkt aus dem Leben bezeichnet und hat auch schon größere Verlage interessiert. Lesen Sie die wundersame Geschichte einer außerordentlichen erfolgreichen Veröffentlichung:
https://lukasadolphi.com/produkt/die-cops-ham-mein-handy/

Natalie Goldberg: Die Freiheit des Schriftstellers

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„Schriftsteller zu sein und zu schreiben bedeutet Freiheit: Man erfüllt seine Funktion. Früher glaubte ich, Freiheit bedeute tun zu können, was immer man möchte. Aber es bedeutet, zu wissen, wer man ist, was man auf dieser Welt tun sollte … und es eben einfach zu tun. Von diesem Weg darf man sich nicht abbringen lassen.“
Natalie Goldberg: Schreiben in Cafés, 200 Seiten, Hardcover, 18 Euro – mehr als 1 Million Exemplare der Originalausgabe, in neun Sprachen übersetzt:
https://www.autorenhaus.de/schreiben_in_cafes-natalie_goldberg.phtml

Michael Hugentobler: Was ist schön am Beruf des Schriftstellers?

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Was ist schön am Beruf des Schriftstellers?
„Die Freiheit. Man kann in der Nacht arbeiten, am Wochenende, auf einer Farm in Australien. Das Wann und Wo ist egal, solange eine Geschichte dabei entsteht.“

Schämen Sie sich für einen Ihrer veröffentlichten Texte?
„Ich schäme mich für viele Texte. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft … Irgendwann hörte ich auf zu zählen. Aber ich glaube auch nicht, dass es einen Erfolg ohne mehrfaches Versagen gibt.“

Natürlich führt das dazu, „dass ich kaum Sätze unangetastet lasse. Die meisten Sätze existieren in unzähligen Versionen. Am Schluss wählte ich den aus, der mir am besten gefällt. Ich schreibe, wie die Schnecke kriecht.“
Von Michael Hugentobler ist der Roman „Louis oder der Ritt auf der Schildkröte“ bei dtv erschienen
aus: Lesen I/2018 Orell Füssli Magazin

Orhan Pamuk: In jeder Figur bin ich

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„Schreiben heisst nicht nur, den Dingen einen Spiegel vorzuhalten und Probleme aufzuzeigen, sondern auch, sich selbst zu entdecken. Vielleicht ist es auch eine Angewohnheit, ein Tick. Das spielt alles mit hinein. Ich erfinde ganze Welten, ich habe Romane mit vierzig Figuren geschrieben. Und in jeder steckt etwas von mir – selbst in den schrecklichsten Charakteren.“

„Wir leben immer mit Geschichten. … Ich sehe mich als jemanden, der zunächst seinem eigenen Leben durch Geschichten Sinn verleiht. Ich bin kein grosser Anhänger von Freud, noch weniger von Jung, aber sie haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass unser Geist ähnlich wie ein Schwamm, der Wasser aufsaugt, Geschichten aufnimmt und weitergibt.“
aus: Carmen Eller „In jeder Figur steckt etwas von mir“, Neue Zürcher Zeitung 30.11.17





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